Lotus Omega
Vorstellung des neuen Lotus-Omega in der AutoBild vom 13.03.1989
360 PS für den Opel Omega
Ein schwarzes Omega-Ungetüm mit dem berühmten Namen Lotus sorgt auf dem Opel-Stand für Aufsehen. Vorn mit tief heruntergezogenem Frontspoiler, hinten mit automatisch ausfahrbarem Heckflügel (ab 160 km/h) und riesigem Viereck-Doppelauspuff. Unter der dunklen Karosserie des Omega steckt Renntechnik pur: ein 3,6-LiterSechszylindermotor mit zwei Turboladern, drei Zündspulen für je zwei Zündkerzen und 24 Ventilen. Leistung: 360 Kat-PS bei 5500 U/min. Beschleunigung von 0-100 km/h in weniger als sechs Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird noch verschämt verschwiegen. |
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Um die gewaltige Kraft (510 Nm bei 3500 U/min) auf die 17-Zoll-Räder übersetzen zu können, kommen ein Sechsganggetriebe (wie bei der neuen Corvette ZR1) sowie eine verstärkte Kupplung zum Einsatz. Die Passagiere sitzen auf edlen Lederpolstern.
Vorstellung Lotus Omega in der AutoZeitung vom 27.10.1989
Ein Omega für 100.000 Mark
Seine ersten Testfahrten absolvierte der neue Lotus Omega in England.
Er mobilisiert 360 PS, fährt 280 km/h Spitze und ist sehr schön anzusehen. Die Rede ist vom Lotus Omega, der schon munter in England getestet wird. Die Hochleistungs-Limousine mit Sechszylindermotor und allen erdenklichen technischen Finessen bietet als besonderes Bonbon zwei Turbolader, die völlig unabhängig voneinander arbeiten. Ein Lader setzt jeweils drei Zylinder unter Druck. 24 Ventile öffnen und schließen sich im 3,6-Liter-Triebwerk. |
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Ein Computer hatte vorher ein spezielles Motor-Gerippe berechnet, das wiederum für große Steifigkeit garantiert.
In einer limitierten Auflage sollen in den nächsten drei Jahren 1.100 Lotus Omega entstehen. Stückpreis: um 100.000 Mark.
Vergleichstest Lotus Omega (C36GET) gegen BMW M5, Alpina B10 Bi-Turbo und Mercedes 500 E, erschienen in ams 25.01.1991
Der Sinn des Strebens
BMW M5, Alpina B10, Mercedes 500 E und Lotus Omega laden ein zum Familienausflug mit 250 Kilometer in der Stunde oder mehr. Stellt sich da nicht die Frage nach dem Sinn des Strebens?
Lieb Vaterland, magst ruhig sein, die stärksten Limousinen dieser Erde tragen deutsche Namen. Ein Zeitgeist, der wohl unersättlich nach Leistung strebt, hat ganz brave Viertürer in einer Art und Weise stark gemacht, daß sie von der Höhe ihres Potentials auf den einheimischen Kollegen Sportwagen herunterlächeln.
Ein Familienausflug mit der Tachonadel in kühner Nähe der Zahl 300 ist eine technisch vollendete Tatsache. Allein der Hohe Preis der Werkzeuge für ein solches Tempo garantiert, daß diese Schnelligkeit kein Volkssport wird. Aber eine wachsende Lust am bodennahen Flugsport schürt den Verkauf der bärenstarken Limousinen.
BMW M5 und Alpina B10 haben Lieferzeiten bis Ende 1991, der Mercedes 500 E ist erst vier Jahre später zu erhalten, und das deutsche Kontingent von 440 Lotus Omega ist ausverkauft. Der Lockruf des Geldes aber, der von solchen Autos ausgeht, hat inzwischen auch Porsche geweckt. Von dort soll in den Kreis der Starken bald auch so ein Sportwagen mit vier Türen kommen.
Bis dahin trägt das stärkste deutsche Auto den Namen Porsche keineswegs. Es ist, wer hätte das gedacht, vom Stamme Opel, es schreibt sich weiter Lotus Omega und definiert die Spitze einer Leistungspyramide mit 377 PS. Der zum Alpina B10 hinaufgeladene BMW bleibt da mit 360 PS knapp im Windschatten des Kräftespiels.
Ganz selbstbewußt liegt der Mercedes 500 E mit 326 PS nur wenig unter dem deutschen Sportwagengipfel, den Porsche mit dem 928 GT bei 330 PS besetzt. Endlich der BMW M5, in dieser Klasse schon ein Klassiker in zweiter Generation, hält mit 315 PS den Anschluß an die Athletenriege.
Mit Augenmaß für die Grenzen allen Wachstums gehen BMW M5 und Mercedes 500 E, wie alle starken Modelle dieser Marken auf 250 km/h limitiert, in dieses wilde Tempo-Treiben. Der Alpina B10 aus der Leistungsschmiede Burkard Bovensiepens und der Opel Omega, powered by Lotus in England, lassen ganz komplexfrei die Skala nach oben offen. Die Meßergebnisse - 288 km/h für den Alpina und 272 km/h für den Lotus - lassen sehr energische Sportwagen blaß aussehen: Porsche 911 Turbo 275 km/h. Ferrari Testarossa 293 km/h.
Die Wahrheit allen Überflusses an Leistung und Geschwindigkeit liegt nicht im Limit und nicht in der Offenheit. Denn wirklich freie Fahrt ist für den freien Bürger hier kein Recht mehr, sondern allenfalls die Gunst einer ganz seltenen Stunde. Die meiste Zeit aber bleibt dem ganz allein die Chance, die eigene Reife im Umgang mit der Kraft auch auf den freiesten Autobahnen dieser Welt in der Weisheit des Verzichts zu zeigen.
Greifbarer ist da schon das Temperament. Und auch da sind die viertürigen Reisewagen bei aller Gewichtigkeit und Größe ganz vorn dabei im Kreis der Sportlichsten. Von 0 auf 100 km/h bekommen die Kraftwagen von Alpina und von Opel die Noten 5,6 und 5,3.
Ein Porsche Turbo liegt da noch mit 5,2 ganz aussichtsreich im Rennen. Wenn es aber von 0 auf 200 km/h geht, ist der starke Stuttgarter Sportler nicht mehr in Führung. Vielmehr liegt der Lotus Omega bei 200 km/h nach 17,3 Sekunden rund 100 Meter vor dem Porsche Turbo, der 19,2 Sekunden braucht. Und noch etwas weiter führt der Opel vor dem Alpina (19,7 Sekunden) oder gar einem Ferrari Testarossa (19,8 Sekunden).
Die Art und Weise, wie es in den Power-Limousinen der neunziger Jahre mit der ganzen Familie vorangeht, ist von bedrohlicher Vehemenz. Geschwindigkeiten, die hier und da als nicht ganz jugendfrei gelten, lassen sich mit diesen Autos mit beinahe unheimlicher Diskretion erreichen. Es ist die temporeiche Tugend dieser Automobile, mehr als 300 PS und Geschwindigkeiten oberhalb von 200 km/h bei einem Geräuschpegel zu erzeugen, der zimmerlautstark im Hintergrund bleibt.
Die Motoren, die in aller Stille Stärke zeigen, sind Gipfelstationen einer oft langen Entwicklungsarbeit. Das tiefste Wurzelwerk in der Vergangenheit gibt die Alpina-Maschine zu erkennen. Der BMW-Sechszylinder mit dem Zweiventilkopf stammt in seinem Rohbau aus den späten sechziger Jahren. Immer wieder verfeinert und auf 3,5 Liter Hubraum vergrößert, erreichte der Reihenmotor schließlich mit den beiden Turboladern bei Alpina seine Höcstform mit 360 PS bei 6000 U/min und einem Drehmoment von 520 Newtonmetern bei 4000 U/min.
Die Kraftentfaltung dieser Maschine ist eine leise, an Drehzahlen nur unwesentlich gebundene Demonstration sanfter Gewalt. Das Turboloch aus ferner Vergangenheit hat ein ganz schonungsvoll fließender Aufbau von Drehmoment ersetzt. Der Turboschub aber, der sich auf der Höhe des Ladedrucks entfaltet, gibt der Beschleunigung etwas Raketenhaftes.
Ganz anders ist da der direkte und wegen seines Vierventilkopfes etwas jüngere Verwandte, der BMW Sechszylinder mit 3,6 Litern im M5. Mit 315 PS bei 6900 U/min und erst recht mit 360 Nm bei 4750 U/min auf einer ganz anderen Ebene der Leistungsentfaltung spielt er mit kernigem Tonfall und raschem Reflex auf das Gaspedal sehr überzeugend die Rolle des selbstansaugenden Sportmotors. Als solcher lärmt er etwas auf der Autobahn und unterstreicht flotte Landstraßenfahrt mit guter Geräuschkulisse.
Der Opel-Sechszylinder mit 3,6 Litern Hubraum und 24 Ventilen, den Lotus mit Ladern und Leistung bestückte, ist die jüngste und überzeugendste Darstellung der modernen Turbo-Technik. Schon die Daten zeigen das klar. 377 PS sind hier bereits bei 5200 U/min verfügbar und 557 Nm bei 4200 U/min.
Der Tritt aufs Gaspedal wird von der Lotus-Maschine fast so spontan wie von einem Saugmotor in die Tat umgesetzt, aber auch akustisch in herber Deutlichkeit untermalt. Unüberhörbar noch nicht am Ende seiner kultivierender Entwicklungsphase, verbreitet der Sechszylinder nicht nur die Leistungsexplosion, sondern auch das Geräuschbild einer mühsam gedämpften Wettbewerbsmaschine.
Als einziger Achtzylinder im Quartett, als der Größte von allen mit fünf Litern Hubraum, und dazu noch gesegnet mit zeitgemäßer Vierventiltechnik, vertritt die Mercedes-Maschine den hohen Anspruch der Marke. Die Leistungsausbeute ist für einen Saugmotor respektabel: 326 PS bei 5700 U/min und ein Drehmoment von 480 Nm bei 3900 U/min.
Doch was hier viel mehr überzeugt als die Spitzenwerte ist die gewissenhafte Gleichmäßigkeit, mit der die Kraft durch eine Automatik an die Hinterachse fließt. Vor allem aber gibt der Motor nie die Absicht eines wilden Wesens zu erkennen. Den vierten Platz in dem freien Spiel der Kräfte vertritt Mercedes mit Kultur. Und diese Diskretion der Dynamik verbindet den 500 E allein mit dem vergleichbar feinen Wesen des Alpina.
Den Ansprüchen gemäß feiert der Motorenbau hier gegensätzliche Höhepunkte. Und dennoch definieren die Maschinen das Ende einer Epoche alter Großzügigkeit.
Verbrauchswerte zwischen 14 und 22 Litern pro 100 Kilometer für Autos in erwachsenem Mittelklasse-Format sind reichlich an der Schwelle zu einer Zeit, in der das Klima der Welt eine neue Sparsamkeit diktiert. Die Kraft der starken Motoren fließt nur mit feinen Unterschieden zu der Hinterachse. Die Konsequenz einer perfekt zur Sportlichkeit erzogenen Automatik wagt allein Mercedes, wo man sich auch nicht scheut, die jungen wilden Gasgeber mit einer Schlupfregelung zu zügeln. Der Umgang mit der so gezähmten Leistung ist von Aggression ganz geläutert und für eine friedvolle Fahrweise ganz entspannt.
Auch bei Alpina ist ein Trend in diese Richtung zu erkennen. Zwar fließt die Kraft des Turbotrieblings über fünf ganz normale Gänge, aber es gibt eine abschaltbare Schlupfregelung, und die leistet bei der Flut von Drehmoment ganz deutlich spürbare Schwerarbeit. Und wer es für sportlich hält, sie abzuschalten, der leistet unverzüglich Querarbeit.
Fünf Gänge gibt es auch im BMW M5, der mit einem nicht ganz so stierischen Antritt auch ohne Schlupfregelung fein beherrschbar ist. Allein der Lotus Omega setzt neue Zeichen mit den sechs Gängen der Chevrolet Corvette. Nur nützen die vielen Stufen des Getrag-Getriebes wenig, weil der Sechste unendlich lang ist. Die Schlupfregelung ist im Lotus eine Sache des Fahrers, und in Anbetracht von 557 Nm Durchdrehmoment ist das keine geringe Aufgabe.
Das Wesen eines wilden Wagens mit der Gentechnologie aus der Sportwagenfabrik Lotus lebt der überstarke Opel Omega auch in seinem Fahrwerk aus. Dessen Abstimmung kommt von der Rundstrecke mit vielen Kurven und Geraden. Darum ist die Lenkung, so lange es scharf ums Eck geht, ganz korrekt.
Nur im natürlichen Jagdrevier so eines Wagens auf der Autobahn mit ihren weiten Bogen ohne rechte Seitenkraft verschwimmt das Lenkgefühl in einer ungewissen Mittellage. Und weil die Härte aller Sportler dem Lotus tief in Federn und Dämpfern steckt, holpern die schlechten Straßen dem Fahrer vernehmlich ins Gebein.
Nicht ganz so ehrgeizig, auf die schnelle Tour, doch sehr viel herrschaftlicher, spielen die anderen drei ein sanfteres Lied der Straße. Das tragende Thema Autobahn wird von den beiden BMW wie auch von dem Mercedes mit endgültig präziser Richtungsstabilität gemeistert. Bei Kurvenfahrten geben die zwei Fünfer-BMW, ungeachtet reichlicher 1.700 Kilogramm, ein fabelhaftes Beispiel exakter Handlichkeit.
Doch diese typische Qualität der jungen BMW nimmt der 500 E als erster Mercedes als Herausforderung auf und gibt der Leichtigkeit des Dirigierens trotz knapper 1.800 Kilogramm eine eigene Dimension. Der Benz, als jüngster von den vieren, setzt auch den letzten Maßstab für Komfort. Als sportlichstes Auto unter dem Stern übertrifft er beim Federn auf guten wie auf schlechten Straßen jeden anderen Mercedes, zumindest bis die neue S-Klasse einschwebt.
So ist am Ende die Geschwindigkeit, mit der die schnellen Limousinen dem Familienglück zu drohen scheinen, ein kleiner Teil eines großen Fortschritts nur, der hier am Beispiel von vier Autos die Mittelklasse zur Extraklasse erhebt.
Vergleichstest Lotus Omega gegen Porsche 911 Turbo, erschienen in AutoBild 17.06.1991
Nicht alles, was Flügel hat, fliegt
Das hat uns gerade noch gefehlt. Jetzt muß Porsche schon gegen Opel antreten. Na, nicht ganz. Eigentlich ist dieser Omega ein Lotus. Das schärfste Gerät, das General Motors je auf die Beine gestellt hat. Und zum Glück wurde der 911 Turbo gerade renoviert. Zwei beflügelte Exoten, die endlich beweisen, daß fahren doch schöner als Fliegen ist.
Motoren wie Musikinstrumente: im Omega rocken sie vorne, im 911 hinten. Wer sie beherrschen will, sollte Talent mitbringen. Und eigentlich ist es total unverständlich, daß James Bond nicht schon lange seinen Esprit in die Ecke geschmissen hat.
Mehr geht nicht, und es ist, verdammt nochmal, ein geiles Gefühl. Die Nackenmuskulatur spannt sich, damit der Kopf nicht nach hinten schlägt. Die Hände greifen irgendwas, Hauptsache, es gibt halt. Immer schneller wird das Ding. Und dann ergibt sich der machtlose Körper, rutscht tief in den Sitz -- der Flieger hebt endlich ab. Abheben, das ist die Steigerung von Beschleunigen. Ein himmlischer Genuß, absolut irre.
Verrückt - wie der Lotus Omega und Porsche Turbo. Beide stark beflügelt, als gelte es, auch mit ihnen die Sonne zu grüßen. Doch abheben, das können sie nicht. Obwohl: die urwüchsige Kraft ihrer Sechszylinder-Turbomotoren würde dazu leicht ausreichen. 376 PS im Omega mit Doppel-Turbolader und 320 im 911 Turbo, dem Turbo schlechthin, machen das Gaspedal bei Bedarf zu einem Schalter mit zwei Stellungen: an oder aus.
Um es vorwegzunehmen: hier sitzen keine Wahnsinnigen am Steuer und auch nicht hinter der Schreibmaschine. Um mit dem Auto andere zu bedrohen, da reichen auch 250 PS weniger. Hier geht es um die Faszination des Machbaren. Die Freude an Formen und perfekter Technik. Um einen gut duftenden Ledersitz im einzigen Lotus mit vier Türen. Um den Ausblick eines Elfer-Fahrers, der links und rechts zwei in den Himmel stegende Kotflügel sieht und weiß, daß er nie wieder ein anderes Auto fahren wird. Johannes-Mario Simmel würde sagen: "Es gibt augenblicke, in denen eine Rose wichtiger ist, wie ein Stück Brot." Eine unserer Rosen ist klassisch rot, die andere exotisch schwarz. Die Rote aus Stuttgart war eigentlich schon ausgestorben. Doch dank Kat und und überarbeiteter Technik blüht sie wie nie zuvor.
Die schwarze Rose indes ist eine künstliche Züchtung. In Deutschland begrenzt auf 420 Exemplare. Sie gibt es nur, weil General Motors einen Opel mit einem Lotus kreuzte. Was dabei herauskam, ist schier unglaublich. Wer hätte denn geahnt, daß ein Omega jemals zu den schnellsten Limousinen der Welt gehören würde?
So ab und an, wenn sich elf Deutsche und elf Waliser ums weiße Leder streiten, lassen sich diese Geräte durchaus dynamisch bewegen. Eineinhalb Stunden dauert ein Fußballspiel. Als sei es den Turbo- und Lotus-Eignern in diesen knappen Minuten gegönnt, Spaß zu haben. Wie oft spielt schon Deutschland gegen Wales?
Stattliche 1690 kg bringt ein Lotus Omega auf die Waage. 220 kg mehr als der Porsche. Um so erstaunlicher die Sprintwerte der Limousine. Wer schnell schalten kann und ordentlich das Gaspedal verbiegt, katapultiert ihn in 5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Noch hat der Porsche mit 4,9 Sekunden die Nase vorne. Unschlagbar ist aber die Elastizität des Opel. Im vierten Gang reichen 4,8 Sekunden, um von 60 auf 100 km/h zu beschleunigen. 7,4 Sekunden braucht der Turbo-Boxer. Wer da 183.600,-- Mark für den 911 ausgegeben hat, versteht vermutlich die Welt nicht mehr. Immerhin kostet der Omega 58.600,-- Mark weniger. Und dann die Schmach mit der Höchstgeschwindigkeit.
Moment. Bevor es hier wirklich zur Sache geht, müssen die Fußball-Bedingungen neu definiert werden. Diesmal stehen die National-Kicker im Endspiel. Der Rest der Nation hängt mit Chips und Bier vor der Glotze. Die Autobahn dürfte jetzt leergefegt sein.
Wir sind schon lange im fünften Gang. Wie mit einem baumdicken Gummiband abgeschossen, fliegt der 911 Turbo über die Bahn. 240 km/h, feuchte Finger. 250, feuchte Stirn. 260, Herzrhythmus meldet SOS. 273, vielleicht hebt er jetzt doch ab? Nichts dergleichen. Ein beherzter Tritt auf die Bremse - und die Kiste verzögert, als sei das Gummiband nach der anderen Seite losgegangen. Hätten alle Autos solche Bremsen, es gäbe weniger Auffahrunfälle.
Im Lotus dauert der Tiefflug noch an. 275 km/h liest der Beifahrer vom Tacho ab. Bei dieser Geschwindigkeit ist ein Copilot erste Sahne. Die Tachonadel reibt es weiter. Bei 285 km/h bleibt sie stehen, während der Omega in Höhe Null weiter durch den nächtlichen Orbit donnert. Wieder der Tritt aufs mittlere Pedal. Den Typen rechts neben dem Sechsgangschaltgetriebe aus der Corvette ZR 1 haut es nach vorne: "Guck nicht so blöd, wir landen." Wer die Bremsen spürt, weiß, was Sicherheitsreserven sind. Wer auf die Tankuhren schaut, denkt an andere Reserven. 19,8 Liter vernichtet der Lotus auf 100 km, 21,9 der Turbo. Das ist so zeitgemäß wie das Anstecken von Ölquellen.
Ebenso zeitgemäß ist die Optik des Omega. Spoiler ohne Ende. Wer 125.000,-- Mark für ein Auto ausgeben kann, ist dem Disco-Alter meist entwachsen. Um wieviel edler wirkt da der Porsche. Über 26 Jahre Feinarbeit an der Karosserie machen ihn zu einem einzigartigen Denkmal des Automobil-Designs. Immer noch liegt das Zündschloß auf der falschen Seite. Immer noch spielen einige Schalter ein penetrantes Versteckspiel mit dem Fahrer. Aber wen stört's, wenn Optik, Motor und Fahrwerk derart begeistern? Die Ergonomie im Omega ist etwas besser. Hier wie im Porsche: serienmäßiges Leder, so weit das Auge reicht. Klimaanlage? Logo. ABS, Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber? Sowieso. Nur das Thema Airbag sollte Opel langsam peinlich sein. Im Porsche ist er serienmäßig vorhanden. Die Rüsselsheimer offerieren ihn nicht einmal gegen Aufpreis. Für keinen Opel.
Geschenkt, für heute. Weil der Lotus so sehr begeistert. Legendäre Motoren, epochale Fahrwerke - das verbindet beide. Darüber hinaus bietet der Prsche eines mehr: Stil.
Der größte Unterschied zwischen Omega und Porsche Turbo? Den Lotus fährt man eine Zeit, bis das Spielzeug langweilig wird. Wer sich den Elfer kauft, behält ihn bis ans Ende seiner Tage - oder holt sich regelmäßig einen neuen.
Vergleichstest Lotus Omega gegen Alpina B10 Bi-Turbo, erschienen in der AutoZeitung 24.04.1992
Beflügeltes - zubereitet nach Art des Hauses
Man nehme zwei Basismodelle, dazu eine kräftige Portion Leistung und garniere das Ganze mit mehr oder minder zartem Geflügel.
Die Suche nach einer neuen Definition des Begriffs Personenkraftwagen führt bisweilen zu in Art und Ausführung unterschiedlichen Interpretationen. Es sind zumeist kleinere Firmen, die sich, bekränzt mit motorsportlichem Lorbeer, Großserienfahrzeugen annehmen, um ihre Ideen in die Tat umzusetzen.
Zwei Varianten zu diesem Thema verkörpern der Alpina B10 Bi-Turbo und der Lotus-Omega. Auftritt und Wesensart beider Ideenträger sind grundverschieden. Im Falle Alpina deuten neben einem dezenten Front- und Heckspoiler nur die Leichtmetallfelgen und die Alpina-typischen Designstreifen auf den kräftigen Kern hin. Ansonsten sieht der B10 kaum anders aus als einer jener zahlreichen 5er-BMW mit der fast obligatorischen Breitbereifung.
Von ganz anderer Art präsentiert sich der Lotus Omega. Er wirkt optisch wie ein einsatzbereiter Jäger 90 kurz vor dem Abheben. Der mächtige Frontspoiler mit Kühlöffnungen für Bremsen und Wasserkühler läßt beim Betrachter keinen Zweifel aufkommen: hier hat sich offenbar jemand auf dem Weg zur nächsten Rennstrecke auf die öffentliche Straße verirrt. Kühlluftgitter in der Motorhaube, angesetzte Kotflügelverbreiterungen und ein mächtiges Heckleitwerk verleihen dem martialischen Auftritt zusätzlich Wirkung.
Parallelen zeichnen sich ab, wenn man beide Motorhauben öffnet. Die Firma Alpina, im bayerischen Buchloe beheimatet, nimmt sich schon seit Jahren der Produkte des Hauses BMW an, um für einen erlesenen Kundenkreis die Frage nach edlerer Ausstattung und mehr Leistung nachdrücklich zu beantworten. Für einen 5er-BMW bedeutet das gründliche Veränderungen der Motorinnereien. Neben obligatorischen Arbeiten an Zylinderkopf und Kurbeltrieb verhelfen zwei Garret-T25-Abgasturbolader dem B10 zu einer Leistung von 360 PS.
Umfangreich auch die Änderungen am Fahrwerk: spezielle Fahrwerksfedern in Verbindung mit Gasdruckstoßdämpfern stellen im Zusammenspiel mit Reifen des Formats 235/45 x 17 vorn und 265/40 x 17 hinten den nötigen Fahrbahnkontakt sicher. Für die Verzögerung sind an der Vorderachse Vierkolben-Festsattelbremsen mit belüfteten Scheiben vrantwortlich.
Alpina Sportsitze, elektrisch einstellbar, farblich abgestimmte Bezugsstoffe, ein Vierspeichen-Lederlenkrad und Wurzelholz an Schaltkonsole und Türverkleidung runden im Innenraum das Dressing ab und die Rechnung auf. Mit 158.000 Mark steht der B10 Bi-Turbo auf der Speisekarte.
Der Lotus Omega ist ein Gericht der Traditionsmarke Lotus, die seit 1988 unter GM-Regie steht. Als Basis dient der Opel Omega 24V, dessen Dreiliter-Reihensechszylinder durch eine neue Kurbelwelle auf 3,6 Liter Hubraum hochgekocht wurde.
Wie im Alpina machen auch zwei Garret-Turbolader den Töpfen Dampf, was sich in einer maximalen Leistung von 377 PS niederschlägt. Die Fahrwerks- und Bremsenmodifikationen am 125.000 Mark teuren Lotus Omega sind mit denen des Alpina B10 vergleichbar. Als Beilagen gereicht werden feinstes Conolly-Leder für Sitze und Verkleidungen sowie Edelholzfurniere an Mittelkonsole und Türen.
Während der B10 einen gelungenen Kompromiß zwischen sportlich-straffer und komfortabler Abstimmung offenbart, sucht der Lotus Omega auch hier die Nähe zum Rennstrecke. Schlechterer Abrollkomfort und höhere mechanische Geräusche vom Getriebe lassen den Fahrer schon im Geist die Sechspunktgurte strammziehen und das Helmvisier zuklappen.
Auch wenn sich die Fahrleistungen nur marginal unterscheiden, animiert der Lotus stärker als der B10 dazu, die Power auszukosten. Lebt der Alpinist eher friedlich in dem Bewußtsein, Kraft im Überfluß mobilisieren zu können, nimmt der Lotus-Omega-Pilot den "Jäger-90"-Eindruck mit ins Cockpit und kämpft fortan mit einer ständigen Herausforderung.
Die Fahrwerke der beiden Konkurrenten sind dem hohen Leistungspotential gewachsen. Die gute Abstimmung erlaubt hohe Kurvengeschwindigkeiten. Doch für den Umgang mit derart PS-reichen Spezialitäten ist neben einem satten Bankkonto eine gehörige Portion Vernunft und Erfahrung erforderlich. Das gilt für den Edlen aus Buchloe ebenso wie für den Wilden aus Norfolk.